Aktuelle Urteile aus Arbeitsrecht

Auf diese aktuellen Urteile möchte der Landesverband Schleswig-Holstein hinweisen:

Stellenanzeige mit sog. Gendersternchen (*)

Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 22.06.2021, Az. Az. 3 Sa öD/21) musste sich im Rahmen einer Entschädigungsklage wegen eines AGG-Verstoßes damit auseinandersetzen, ob eine Stellenanzeige unter Verwendung eines sog. Gendersternchens Menschen mit nicht binärer Geschlechteridentität benachteiligt. Das LAG Schleswig-Holstein hat dies zu Recht verneint. Neben der in Stellenanzeigen sehr oft anzutreffenden Formulierung „m/w/d“ ist die Verwendung des Gendersternchens in der Form „Berufsbezeichnung*innen“ eine weitere Möglichkeit einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache. Da das Gendersternchen insoweit auch auf einer Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung basiert, ist damit zu rechnen, dass auch andere Gerichte diese Entscheidung bestätigen.

 

Untersagen des Tragens eines Kopftuches am Arbeitsplatz

Das Tragen eines von religiösen Symbolen und Kleidungsstücken (z.B. Kopftuch) am Arbeitsplatz kann von einem Arbeitgeber unter gewissen Umständen untersagt werden, Urteile des EuGH vom 15.07.2021 (Az. C-804/18 und C-341/19)

In zwei einzelnen Verfahren vor dem EuGH waren die jeweiligen Arbeitnehmerinnen als Heilerziehungspflegerin bzw. als Kassiererin beschäftigt. Beide trugen an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz ein Kopftuch aus religiösen Gründen.

In letzter Instanz legte dann das Bundesarbeitsgericht, das die Rechtstreitigkeiten dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Der EuGH hat entschieden, dass das Verbot des Tragens einer sichtbaren Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen zwar eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung darstellt, aber im Einzelfall sachlich gerechtfertigt sein kann.

Der EuGH hatte die interessante Frage zu entscheiden, inwieweit Unternehmen das Tragen von religiösen Symbolen und Kleidungsstücken untersagen können. Dies ist nach Auffassung des EuGH möglich, wenn im Rahmen einer Neutralitätspolitik innerhalb des Unternehmens ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird. Das Bestehen einer solchen Neutralitätspolitik verlangt nach Ansicht des EuGH allerdings den Nachweis des Unternehmens, dass es infolge sichtbarer religiöser Zeichen zu konkreten betrieblichen Störungen oder wirtschaftlichen Einbußen kommen kann. Insofern obliegt es dem Arbeitgeber darzulegen, dass es angesichts der Art der Tätigkeit oder des Umfelds, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, ohne eine solche interne Regel nachteilige Konsequenzen für ihn haben kann. Entscheidend ist dabei, dass das Unternehmen eine konsequente Neutralitätspolitik betreibt, von welcher weder Abweichungen noch Differenzierungen (z.B. Verbot nur großflächiger religiöser Zeichen) erlaubt werden dürfen.

 

Arbeitszeiterfassung und Darlegungslast bei Überstunden

Der klagende Arbeitnehmer ist bei der beklagten Arbeitgeberin als Auslieferungsfahrer tätig und machte auf Grundlage der technischen Aufzeichnungen der Arbeitgeberin Überstundenvergütungen für 348 Stunden (Januar 2016 bis Juli 2018) geltend. Dabei behauptete der Kläger, während der gesamten Zeit gearbeitet und keinerlei Pausen eingelegt zu haben. Ebenso ist streitig, ob die getätigten Aufzeichnungen der Arbeitgeberin zur Erfassung von vergütungspflichtigen Zeiten erstellt wurden. Das im Ausgangsverfahren damit befasste ArbG Emden sprach dem Kläger die Überstundenvergütung mit Hinweis auf das CCOO-Urteil des EuGH vom 14.05.2019 zu, weil ihm die vom Kläger vorgelegten Aufzeichnungen als Indiz für die geleistete Arbeitszeit ausreichten

Das LAG Niedersachsen (Urteil vom 6.05.2021, Az. 5 Sa 1292/20) folgte dem nicht. Eine erfolgreiche Überstundenklage setze nicht nur voraus, dass der Arbeitnehmer Mehrarbeit geleistet habe, die über seine vertraglich vorgesehene Arbeitszeit hinausgeht. Diese Mehrarbeit müsse auch in irgendeiner Weise dem Arbeitgeber zugerechnet werden können. Insoweit würden die BAG-Grundsätze weiter gelten, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig sein müssen. Den Arbeitnehmer treffe dafür die Beweislast. Soweit es um die Anordnung gehe, habe er vorzutragen, wer wann und auf welche Weise Überstunden angeordnet hat.

Diese Rechtsprechung habe das BAG trotz des EuGH-Urteils vom 14.05.2019 erkennbar nicht aufgegeben worden. Die abgestufte Darlegungs- und Beweislast werde etwa von der Entscheidung des BAG vom 26.06.2019 (Az. 5 AZR 452/18) bestätigt.

 

Außerordentliche Kündigung wegen Nichttragen eines Mund-Nasen-Schutzes

Eine nach erfolgloser Abmahnung aufgrund des Nichttragens eines Mund-Nasen-Schutzes ausgesprochene außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers ist wirksam. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer für die Befreiung von der bestehenden Maskenpflicht nur ein "ärztliches Attest" ohne Angaben zu einer konkreten Diagnose vorlegen kann, Urteil des ArbG Köln vom 17.06.2021, Az. 12 Ca 450/21.

Der Kläger war als Servicetechniker im Außendienst beschäftigt. Aufgrund der Pandemiesituation ordnete die Beklagte gegenüber dem Kläger an, bei Tätigkeiten mit Kundenkontakt einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Anfang Dezember 2020 weigerte sich der Kläger, einen Serviceauftrag bei einem Kunden durchzuführen, der ausdrücklich auf das Tragen einer Maske bestand. Unter dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ legte der Kläger ein im Juni 2020 auf Blankopapier ausgestelltes "Attest" vor. Dort hieß es, dass es für den Kläger „aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine nichtmedizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung … zu tragen“. Nach erfolglosem Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung wies die beklagte Arbeitgeberin den Kläger erneut an, bei Kundenkontakt einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Gegen die nach erfolgter Abmahnung wegen wiederholter Verweigerung des „Maskentragens“ ausgesprochene Kündigung klagte der Arbeitnehmer vor dem ArbG Köln.

Das ArbG Köln hat entschieden, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten wirksam ist. Der Kläger habe mit seiner beharrlichen Weigerung, bei der Ausübung seiner Tätigkeit den von der Beklagten angeordneten und den von dem Kunden verlangten Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen.

Eine Rechtfertigung hierfür ergebe sich nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Attest. Das Attest sei nicht aktuell gewesen. Ferner sei ein Attest ohne konkrete Diagnose eines Krankheitsbildes nicht hinreichend aussagekräftig, um eine Befreiung von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen zu rechtfertigen. Zudem bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vom Kläger behaupteten medizinischen Einschränkungen, da der Kläger selbst den Mund-Nasen-Schutz als "Rotzlappen" bezeichnet habe und dem Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen sei.

Für Fragen rund ums Arbeitsrecht stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.