Erkennt ein Verkäufer einen Mangel als solchen an, kann er sich nach ständiger BGH-Rechtsprechung später nicht mehr darauf berufen, dass bei Übergabe des Fahrzeugs in Wahrheit kein Mangel vorgelegen hat. Ein Indiz für ein Anerkenntnis der Gewährleistungs-pflicht stellt die Vornahme von nicht unerheblichen Nachbesserungsarbeiten dar.
Das OLG München hat sich nunmehr in seinem Urteil vom 12.01.2022 (Az. 7 U 946/21) mit der Frage auseinandergesetzt, ob dieser Rückschluss auch dann gezogen werden kann, wenn es sich um einen Mangel handelt, der auch unter die Neuwagengarantie des Herstellers fällt.
Die Leasinggeberin erwarb von einer Ford-Händlerin einen neuen Ford Edge, für den die Fahrzeugherstellerin eine 2-jährige Neuwagengarantie gewährt. Außerdem erwarb sie für das Fahrzeug einen Garantie-Schutzbrief. Im Neuwagen-Kaufvertrag war die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Sachmängeln zulässigerweise auf ein Jahr verkürzt worden.
Die Leasingnehmerin fuhr das Fahrzeug ein halbes Jahr beanstandungsfrei und legte in dieser Zeit ca. 20.000 km zurück. Danach nahm sie erstmals ein Ruckeln beim Beschleunigen wahr. Außerdem erschienen im Display Fehlermeldungen zum adaptiven Fernlicht, die sich jedoch mit Betätigung der OK-Taste wegklicken ließen. 3 Monate später, nach einer Laufleistung von 30.000 km, monierte die Leasingnehmerin bei der Verkäuferin das Ruckeln im Rahmen der turnusmäßigen Inspektion. Da die Beanstandungen auch nach Abholung des Fahrzeugs weiterhin auftraten, fanden 2 weitere Werkstatttermine statt. Im Anschluss daran monierte die Leasingnehmerin erneut einen "Garantieschaden am Antriebsstrang" und es fand ein weiterer erfolgloser Werkstattaufenthalt statt.
Eine Woche später schwenkten die Scheinwerfer des Fernlichts während einer nächtlichen Fahrt mit dem Fahrzeug ohne Vorwarnung so nach unten, dass nur noch ca. 5 m vor dem Auto ausgeleuchtet wurden. Die von der Leasingnehmerin kontaktierte Verkäuferin teilte der Leasingnehmerin mit, dass sie in dieser Situation nicht hilfreich sein könne und die Leasingnehmerin die Mobilitätsgarantie in Anspruch nehmen solle. Im Rahmen der Mobilitätsgarantie verbrachte ein ADAC-Mitarbeiter das Fahrzeug in die nächstgelegene Ford-Werkstatt. Diese unternahm im Rahmen eines "Garantieauftrags" einen Reparaturversuch des adaptiven Fernlichts. Während der gut zweiwöchigen Reparaturzeit beschwerte sich die Leasingnehmerin bei der Herstellerin darüber, dass seine Verkäuferin mit Problemfällen in der Garantiezeit nichts zu tun haben wolle. Außerdem setzte sie der Verkäuferin unter Rücktrittsandrohung eine gut zweiwöchige Frist zur Nachbesserung. Den vorgeschlagenen Reparaturtermin nahm die Leasingnehmerin an und bezeichnete diesen als Termin "zur Behebung der Garantiemängel", bezeichnete sie aber auch als "Gewährleistungsmängel". Als ihr nach weiteren 2 Monaten von der Verkäuferin mitgeteilt wurde, dass noch ein Ersatzteil benötigt werde, das frühestens Ende des Monats geliefert werde, begehrte sie die Rückabwicklung der Verträge.
Das OLG München entschied, dass die Leasingnehmerin nicht zum Rücktritt berechtigt war, weil es ihr nicht gelungen war nachzuweisen, dass die von ihr gerügten Mängel bereits bei Fahrzeugübergabe und auch noch bei Rücktrittserklärung vorlagen. Die Leasingnehmerin hätte beweisen müssen, dass die gerügten Mängel bereits bei Fahrzeugübergabe vorlagen, weil der Verkäufer die Mängel nicht als Mängel im Sinne des Gewährleistungsrechts anerkannt hatte.
Ob in der Vornahme von nicht unerheblichen Nachbesserungsarbeiten ein Anerkenntnis der Gewährleistungspflicht des Verkäufers liegt, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei, ob der Verkäufer aus der Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein. Erheblich sind hierbei vor allem der Umfang, die Dauer und die Kosten der Mängelbeseitigung. Vorliegend deutete das OLG München das Verhalten der Verkäuferin nicht als Anerkenntnis eines Mangels zum Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe, weil für das Fahrzeug eine umfangreiche Garantie galt (zweijährige Neuwagengarantie des Herstellers sowie ein für das Fahrzeug ausgestellter Garantie-Schutzbrief) und die Reparaturen bzw. Reparaturversuche durch die Verkäuferin daher sowohl im Rahmen einer Mängelgewährleistung als auch im Rahmen einer Garantie erfolgt sein konnten. Vor diesem Hintergrund könne der Annahme des Fahrzeugs zu Reparaturversuchen seitens der Verkäuferin nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände der Erklärungsgehalt zukommen, Mängelgewährleistungsansprüche befriedigen zu wollen.
Mangels Anerkenntnis der Gewährleistungspflicht oblag der Leasingnehmerin der Nachweis, dass die monierten Mängel bereits bei der Fahrzeugübergabe vorlagen oder angelegt waren. Dieser Nachweis ist ihr nicht gelungen, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht eindeutig feststellen konnte, dass die Ursache für die geltend gemachten Mängel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorlagen.
Fazit
- Ob ein Verkäufer durch die Vornahme von nicht unerheblichen „Nachbesserungsarbeiten“ konkludent seine Pflicht zur Mängelbeseitigung und damit das Vorliegen eines – schon bei Gefahrübergang vorhandenen – Mangels anerkennt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Maßgeblich ist, ob der Verkäufer aus der Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein. Insoweit sind vor allem der Umfang, die Dauer und die Kosten der Mängelbeseitigungsarbeiten erheblich.
- Die Annahme eines solchen Anerkenntnisses setzt Eindeutigkeit des Handelns des Verkäufers voraus. Besteht für einen Neuwagen eine Herstellergarantie und ist – auch aus Sicht des Käufers – nicht klar, ob die Reparaturversuche des Verkäufers auf Basis der Gewährleistung/Sachmangelhaftung oder einer Garantie erfolgt sind, ist sein Handeln mehrdeutig, so dass daraus kein Anerkenntnis einer Gewährleistungspflicht abgeleitet werden kann.