Datenschutz – Einwilligung bei Verwendung von Google Fonts

In einem aktuellen Urteil hat das Landgericht (LG) München, Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20, zur Frage der Rechtmäßigkeit der Verwendung des Dienstes Google Fonts als Anbieter für Schriftarten auf Internetseiten sinngemäß Folgendes entschieden:

  1. Werden durch eine (dynamische) Einbindung von Google Fonts personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen weitergeleitet, steht dem Seitennutzer gegen den Webseitenbetreiber ein Unterlassungsanspruch zu.
  2.  Ist eine solche dynamische Einbindung ohne Einwilligung erfolgt, steht dem betroffenen Seitennutzer zusätzlich ein immaterieller Schadensersatz i.H.v 100 € zu.

Sachverhalt

Der klagende Seitennutzer macht gegen die beklagte Betreiberin einer Unternehmenswebseite einen Unterlassungsanspruch wegen der Weitergabe seiner IP-Adresse an Google sowie einen darauf gestützten Schadensersatzanspruch geltend. Dabei hatte die Beklagte im Rahmen ihres Internetauftritts auf ihrer Webseite eine bestimmte Schriftart des Anbieters Google (Google Fonts) implementiert. Bis zu einer späteren Umstellung wurden bei jedem Aufruf dieser Webseite die IP-Adressen der Nutzer an einen Google-Server in den USA weitergeleitet – so auch die des Klägers zwischen Mai und November 2020. Der Kläger hatte zuvor in die automatische Übermittlung seiner IP-Adresse nicht eingewilligt. Die Nutzung verschiedener Schriften von Google Fonts auf der Unternehmens-Webseite kann dabei entweder über ein jeweils dynamisches Nachladen direkt vom Google-Server oder über ein vorgeschaltetes statisches Herunterladen auf dem lokalen Server der eigenen Unternehmenswebseite erreicht werden. Da der Kläger in der Weitergabe der IP-Adresse (personenbezogenes Datum) über Google Fonts einen Datenschutzverstoß sah, klagte er vor dem LG München auf Unterlassung sowie auf immateriellen Schadensersatz i.H.v. 100 €.

Begründung des Gerichts

Das LG München hat entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe von IP-Adressen an Google aus § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 BGB hat (in analoger Anwendung). Denn diese unerlaubte Weitergabe stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB dar.

Zunächst handele es sich bei der dynamischen IP-Adresse um ein personenbezogenes Datum gem. § 12 Abs. 1 und 2 TMG a.F., § 3 Abs. 1 BDSG, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Dessen Weitergabe beim Aufruf der Beklagten-Webseite verletze das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung.

Es liege auch kein Rechtfertigungsgrund für den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers vor. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten i.S.d. Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO sei vor allem deshalb nicht gegeben, weil Google Fonts durch die Beklagte auch hätte genutzt werden können, ohne dass beim Aufruf der Webseite eine Verbindung zu einem Google-Server in den USA mit gleichzeitiger Übertragung der IP-Adresse der Webseitennutzer erfolgt. Ebenso bestehe keine Pflicht des Klägers zur Verschlüsselung der eigenen IP-Adresse, bevor er die Webseite der Beklagten aufruft. Schließlich werde die Wiederholungsgefahr auch nicht dadurch ausgeräumt, dass die Beklagte Google Fonts mittlerweile statisch nutzt, so dass eine Weitergabe der IP-Adressen an Google nicht mehr stattfindet. Denn eine Wiederholungsgefahr könne lediglich durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung beseitigt werden.

Letztlich stehe dem Kläger auch ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu, wobei der Begriff des Schadens im Sinne dieser Vorschrift weit auszulegen sei. Keine Rolle spiele es dabei, ob die Beeinträchtigung des Klägers durch den Datenschutzverstoß bereits die Erheblichkeitsschwelle überschritten hat. Denn die Übermittlung der IP-Adresse erfolgte nicht nur einmalig. Außerdem sei der Kontrollverlust des Klägers über sein personenbezogenes Datum durch die Weitergabe an Google (ein Unternehmen, das bekanntermaßen Daten über seine Nutzer sammelt) zu berücksichtigen. Damit sei das vom Kläger empfundene individuelle Unwohlsein so erheblich, dass ein Schadensersatzanspruch gerechtfertigt ist. Insbesondere sei neben der unstreitigen Übermittlung der IP-Adresse an einen Google-Server in den USA und damit in ein Land ohne angemessenes DSGVO-Datenschutzniveau (vgl. sog. EuGH-Urteil „Schrems II“) auch zu berücksichtigen, dass Art. 82 Abs. 1 DS-GVO präventiv weiteren Verstößen vorbeugen soll. Der geltend gemachte Schadensersatzes von 100 € sei im Hinblick auf die inhaltliche Schwere und Dauer der Rechtsverletzung angemessen.

 

Fazit

1.  Das hier besprochene Urteil des LG München ist eines von noch nicht allzu vielen Urteilen zur Frage eines Schadensersatzes infolge eines Datenschutzverstoßes. Mit Berufung auf das Urteil des LG München könnte es Betroffenen in der Praxis künftig leichter fallen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Denn das LG München setzt bei der Verwendung von Google Fonts die Schwelle zur datenschutzrechtlichen Betroffenheit und damit zum Schadensersatz nicht allzu hoch an.

2.  Zwar wird sich erst künftig zeigen, ob die Rechtsprechungslinie des LG München von anderen Gerichten - insbesondere in den oberen Instanzen – so bestätigt wird. Um Rechtsstreitigkeiten dennoch aus dem Weg zu gehen, sollten Kfz-Unternehmen das Urteil des LG München unbedingt kennen und dementsprechend handeln. Zunächst sollten alle Kfz-Betriebe ihre Webseiten dahingehend überprüfen (ggf. unter Hinzuziehung des eigenen Webdienstleisters), ob sie Google Fonts überhaupt nutzen, und wenn ja, ob die Schriften dynamisch eingebunden sind. Ist das der Fall, ist Google Fonts künftig unbedingt über eine lokale Speicherung auf dem eigenen Webserver einzubinden.

 3.  Darüber hinaus besteht auch die Gefahr, dass „vermeintlich Betroffene“ auf Grundlage des obigen Urteils und des eigenen „individuellen Unwohlseins“ mit IT-Unterstützung gezielt das Internet nach Webseiten durchforsten, die Google Fonts – nach Ansicht des LG München unzulässigerweise – dynamisch eingebunden haben. Insoweit sind seit wenigen Tagen erste Schreiben von Personen bekannt, die mit einer Art „Abmahnung“ Schadensersatz gegenüber Unternehmen geltend machen – auch gegenüber Kfz-Betrieben. Von einer vorschnellen Zahlung wird grundsätzlich aber abgeraten, um zunächst zu klären, ob nicht bei Kenntnis von vielen gleichlautend versandten Schreiben ein Missbrauch bewiesen werden kann.