Hohe Steuerzinsen verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verzinsung von Steuernachforderungen- und -erstattungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % (d.h. 6 % p.a.) für die Jahre ab 2014 für verfassungswidrig erklärt. Eine rückwirkende Korrektur wurde jedoch erst für Verzinsungszeiträume ab 2019 angeordnet.

Nach langem Warten hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) seinen Beschluss vom 08.07.2021 zur Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen veröffentlicht. Dort hat es sinngemäß folgendes entschieden:

… Der Gesetzgeber kann bei der Auswahl eines Zinsgegenstands und der Bemessung eines Zinssatzes typisierende Regelungen treffen und dabei in erheblichem Umfang die Praktikabilität mit dem Ziel der Einfachheit der Zinsfestsetzung und -erhebung berücksichtigen. ….

… Die typisierende Festlegung des Zinssatzes ist trotz grundsätzlicher Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht mehr zu rechtfertigen, wenn dieser Zinssatz unter veränderten tatsächlichen Bedingungen oder angesichts einer veränderten Erkenntnislage weder durch die maßstabsbildend zugrunde gelegten noch durch sonstige geeignete Kriterien getragen ist.

Der Übersichtlichkeit halber wird auf die Sachverhaltsdarstellung verzichtet.

Auszüge aus der Begründung

Das BVerfG hat entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen in seiner aktuellen Ausgestaltung verfassungswidrig ist.

Zwar sei diese Verzinsung nach § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ursprünglich verfassungsgemäß gewesen. Die Regelung sei jedoch nicht mehr mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit bei der Zinsberechnung für in das Jahr 2014 oder darauffolgende Jahre fallende Verzinsungszeiträume ein Zinssatz von monatlich 0,5 % (d.h. 6 % p.a.) zugrunde gelegt wird.

Allerdings bleibe das bisherige Recht für bis in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Erst für in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume seien die Vorschriften nicht mehr anwendbar. Für diese Verzinsungszeiträume komme es zu rückwirkenden Korrekturen. Dies gelte nicht nur für die Steuernachforderungen der Finanzverwaltung, sondern auch für die von den Finanzämtern geleisteten Steuererstattungen.

Fazit

Es war zu erwarten, dass das BVerfG die derzeit hohe Verzinsung von monatlich 0,5 % sowohl bei Steuernachforderungen als auch bei Steuererstattungen gem. § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 für verfassungswidrig erklärt. Allerdings hat das oberste Bundesgericht auch festgestellt, dass die Vorschriften erst ab den Verzinsungszeitraum ab 2019 nicht mehr anwendbar sind. Dringender Handlungsbedarf für Betriebe besteht aber nicht, soweit die Finanzverwaltung in ihren Bescheiden die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 AO für vorläufig erklärt hat.

Leider hat das BVerfG keine Angaben dazu gemacht, wie hoch der Zinssatz in Zukunft sein darf. Insoweit bleibt dies die Aufgabe der Politik, die nun bis zum 31.07.2022 Zeit hat, eine Neuregelung zu treffen. Der ZDH wird diesen Prozess gemeinsam mit den anderen Spitzenverbänden eng begleiten und sich für eine deutlich verbesserte Neuregelung einsetzen.

Das Urteil bedeutet eine weitere Gestaltungsaufgabe für die neue Bundesregierung. Denn neben der nun höchstrichterlich verfügten Neuordnung der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen von Steuerforderungen muss sie sich auch mit der Reform der Besteuerung von Renten beschäftigen, nachdem der Bundesfinanzhof bereits mit Urteil vom 19.05.2021 festgestellt hatte, dass spätere Rentnerjahrgänge durchaus von einer doppelten Besteuerung betroffen sein können.

Dazu kommt die immer noch ausstehende Reform der Unternehmensbesteuerung, die für die Überwindung der Folgen der Corona-Krise immer dringlicher wird und mit einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte einhergeht. Die neue Bundesregierung steht damit vor immensen Herausforderungen.