Sachmangelhaftung: Kraftstoffmehrverbrauch bei einem Hybrid-Fahrzeug
Bei einem Hybrid-Fahrzeug, dessen Elektroantrieb und Batterie ordnungsgemäß funktionieren, führt eine Messung der Energieflüsse des Elektroantriebs aus technischen Gründen allenfalls zu unerheblichen Abweichungen des nach EU-Norm ermittelten Messergebnisses. Möchte der beweisbelastete Käufer diese Messung berücksichtigt haben, muss er sein Fahrzeug mit einem in Serienfahrzeugen nicht enthaltenen Spezial-Bauteil nachrüsten lassen, welches die Stromabnahme mittels einer Messzange ermöglicht. Unterlässt er dies, bleibt er mit seiner Behauptung einer höheren als der nach dem EU-Prüfverfahren ermittelten Abweichung des Kraftstoffverbrauchs beweisfällig.
Wird dem Käufer eines Fahrzeugs von dessen Bordcomputer ein deutlich höherer Durchschnittsverbrauch angezeigt als im Datenblatt des Fahrzeugherstellers angegeben, kommt es immer wieder vor, dass er den von ihm festgestellten Kraftstoffmehrverbrauch gegenüber seinem Verkäufer rügt und im Falle unterlassener Abhilfe mitunter sogar vom Kaufvertrag zurücktreten möchte. So auch in einem vom LG München II entschiedenen Rechtsstreit (Urteil vom 15.05.2020, Az. 13 O 4777/16).
Sachverhalt
Der Käufer erwarb im Oktober 2015 von einem Kfz-Händler einen 14 Monate alten gebrauchten Toyota Yaris. Bei diesem handelt es sich um ein Hybridfahrzeug, mit fest verbauter Batterie ohne Plug-in- Lademöglichkeit. Bei den Kaufvertragsverhandlungen hatte der Verkäufer dem Käufer ein Datenblatt des Fahrzeugherstellers vorgelegt, in dem der kombinierte Durchschnittsverbrauch für Fahrten inner- und außerorts mit 3,3 l bis 3,6 l auf 100 km angegeben war. Gut ein halbes Jahr später rügte der Käufer einen deutlich höheren Durchschnittsverbrauch, der laut Bordcomputer bei 5,4 l/100 km lag. Nachdem der Verkäufer auf ein Nacherfüllungsverlangen unter Fristsetzung nicht reagiert hatte, trat der Käufer vom Kaufvertrag zurück und begehrte die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses.
Entscheidung des Gerichts
Zu Unrecht, entschied das LG München II, und wies die Klage des Käufers ab, weil das Fahrzeug keinen zum Rücktritt berechtigenden (erheblichen) Sachmangel aufwies.
Aus den Gründen
Unter Berufung auf die BGH-Rechtsprechung verwies das LG darauf, dass von einem zum Rücktritt berechtigenden (erheblichen) Sachmangel im Falle des Kraftstoffverbrauchs nur dann auszugehen sei, wenn der gemessene Verbrauch um mehr als 10 % über den Herstellerangaben liegt. Vorliegend sei auf Basis des – zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen – standardisierten europäischen NEFZ- Verfahrens zur Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs ein Mittelwert für den kombinierten Verbrauch von 3,57 l/100 km errechnet worden. Er lag damit um 8,18 % höher als der niedrigste im Datenblatt des Herstellers angegebene Wert und somit unterhalb des Schwellenwertes von 10 %.
Dies wollte der Käufer so nicht hinnehmen und bezweifelte die Brauchbarkeit des Messergebnisses, weil der Gutachter keine Messung der Energieflüsse des Elektroantriebs und in der Folge keine Korrektur der Einzelverbrauchswerte vorgenommen hatte.
Diesen Einwand ließ das Gericht auf Basis der Ausführungen des Sachverständigen jedoch nicht gelten. Dieser hatte ausgeführt, dass im Falle der Messung der Energieflüsse des Elektroantriebs nicht mit einem erheblichen Korrekturbedarf wegen des Ladezustands der Batterie und daher im Ergebnis auch nicht mit erheblichen Abweichungen zu rechnen wäre. Da sich das Fahrzeug unstreitig in technisch einwandfreiem Zustand befand, sei davon auszugehen, dass der Elektroantrieb und die Batterie ordnungsgemäß funktioniert hätten und die Batterie sich in einem für den Straßenverkehr ordnungsgemäßen Ladezustand befunden habe.
Im Übrigen wies der Sachverständige darauf hin, dass für eine Messung des Energieflusses das Fahrzeug des Käufers mit einem in Serienfahrzeugen nicht enthaltenen Bauteil versehen werden müsste, das die Stromabnahme mittels einer Messzange ermöglicht. Solche Bauteile würden nur in Referenzfahrzeuge eingebaut, die von den Herstellern im Rahmen der Typzulassung zur Prüfung vorgestellt würden.
Da der Käufer die Beweislast für das Vorliegen eines Sachmangels trägt, wies das Gericht darauf hin, dass es Sache des Käufers gewesen wäre, das streitgegenständliche Fahrzeug dementsprechend nachrüsten zu lassen, um eine erneute Prüfung zu ermöglichen. Dies hatte der Käufer aber weder veranlasst, noch in Aussicht gestellt. Daher blieb der Käufer nach Ansicht des LG München II für seine Behauptung, dass eine erneute Messung unter Berücksichtigung der Energieflüsse des Elektroantriebs zu einem erheblich höheren kombinierten Verbrauchswert und damit zur Annahme eines erheblichen Sachmangels führen würde, beweisfällig.
Fazit
Zur Feststellung der Höhe des Kraftstoff(mehr-)verbrauchs ist auch für Hybrid-Fahrzeuge auf die einschlägigen standardisierten Prüfverfahren nach EU-Vorgabe (NEFZ- oder – für ab dem 1. September 2018 erstzugelassene Fahrzeuge – WLTP-Prüfverfahren) abzustellen. Behauptet der Käufer, dass eine zusätzliche Messung der Energieflüsse des Elektroantriebs zu einem höheren Verbrauchswert führt, muss er die Voraussetzungen für die Durchführung einer solchen Messung schaffen.
Auch das neue WLTP-Prüfverfahren (Worldwide Harmonised Light-Duty Vehicles Test Procedure) ist ein standardisiertes Prüfverfahren, das allerdings realitätsnähere Werte für den Verbrauch (und Schadstoffausstoß) von Fahrzeugen liefert, als nach dem NEFZ-Prüfverfahren. Auch das WLTP- Verfahren dient dem Vergleich von Fahrzeugen untereinander und spiegelt nicht den realen Verbrauch des Autofahrers auf der Straße wider, so dass es auch bei Anwendung dieses Messverfahrens zu Abweichungen zwischen dem gemessenen Verbrauchswert und dem Realverbrauch des Fahrers geben wird. Den „einen Realverbrauch“ gibt es nicht, weil der Verbrauch stark von individuellen Faktoren wie Fahrstil, Verkehrsfluss, Topografie und Wetter abhängt.