
Von den Herausforderungen für die schleswig-holsteinischen Kfz-Betriebe in 2022
Achterbahnfahrt, ein passenderes Bild lässt sich kaum finden, um den Pkw-Markt im Jahr 2022 zu beschreiben. Es ging rauf und runter, auf ein paar gute Monate folgten ohne Übergang zweistellige Einbrüche bei den Neuzulassungen, bevor es dann doch noch eine Jahresend-Rallye gab. Schließlich kam in Gesamtdeutschland ein schmales Plus von einem Prozent zustande: 2,65 Mio. Pkw, die neu auf die Straße kamen, rund 30.000 mehr als in 2021.
Allerdings lässt sich das nicht für den Neuwagenhandel in Schleswig-Holstein sagen, denn hier betrug der Rückgang drei Prozent. In Zahlen bedeutete das, dass es bei Pkw nur knapp 70.000 Neuzulassungen gab und damit 2.000 weniger als im Vorjahr, was schon als „mau“ bezeichnet werden muss. Auch Jan-Nikolas Sontag, Geschäftsführer des Landesverbandes des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein, beschreibt das vergangene Jahr als schwierig für die Branche: „Ein detaillierter Blick auf die Entwicklung offenbart ein durch und durch unkalkulierbares Marktumfeld. Es ging im Januar und Februar ganz gut los, wobei gut relativ ist, wenn der Vergleich zu 2021 gezogen wird. Zur Erinnerung sei gesagt: Im Januar 2021 gab es einen Corona-Lockdown und die Rücknahme des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes – beides starke Verkaufsbremsen. Deshalb sahen die Zuwächse von zehn Prozent im Januar und von zwölf im Februar bei den neuzugelassenen Pkw schöner aus, als sie in Wirklichkeit waren. Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit war schon da ein wirklich dramatischer Rückgang bei den Neuzulassungen um etwa ein Viertel festzustellen.“
Dann folgte der nächste Tiefschlag. Der Krieg in der Ukraine ließ alle wissen, was die Internationalisierung der Wirtschaft für Folgen haben kann – ob nun Autokäufer, Werkstattkunden mit reparaturbedürftigen Fahrzeugen, ja sogar diejenigen, die selbst gar keinen Pkw ihr eigen nennen. Wenn ein wichtiger Produzent wie die Ukraine nur noch sehr eingeschränkt agieren kann, dann leiden afrikanische Länder buchstäblich Hunger, während europäische Verbraucher/innen sich bei Bestellungen auf ungewohnte Wartezeiten einstellen müssen. Keine Frage, dass Letzteres weitaus leichter zu ertragen ist!
Kundschaft bewies meist Geduld
In jedem Fall zwang schon Corona, endgültig aber der Krieg, Mitarbeitenden in Werkstatt und Verkauf ein zusätzliches Anforderungsprofil für ihre Arbeit auf. Die geforderten Fähigkeiten erinnern eher an Zirkus als an Autohandel oder Instandsetzung: Seiltänzer ohne Netz und doppelten Boden, Entfesselungskünstler, wie auch immer man ihre täglichen Verrenkungen nennen mag, um die Kundschaft irgendwie zufrieden zu stellen und das Geschäft am Laufen zu halten. Lieferengpass ist ein beschönigender Begriff, wenn in Wirklichkeit Teile einfach nicht da sind und die Auftraggeber einer Reparatur monatelang mit Leihfahrzeugen durch die Gegend fahren, während ihre Autos unreparierbar auf den Parkplätzen der Kfz-Betriebe Moos ansetzen. Dann immer neu um Geduld zu bitten, ist ein nicht wirklich angenehmer Gang. Michael Ihle, Pressesprecher des Kfz-Landesverbandes, lobt ausdrücklich die Haltung der Kundinnen und Kunden: „Wir, die wir in den Autohäusern und Werkstätten arbeiten, sind wirklich dankbar, dass uns in den meisten Fällen großes Verständnis von Seiten unserer Kundschaft entgegengebracht wird. Ganz gleich, ob die Zeit für Reparaturen durch nicht oder nur schwer lieferbare Teile deutlich länger ist, oder sich die Auslieferung eines bestellten Neufahrzeugs um Monate verzögert – die überwiegende Mehrheit der Kundinnen und Kunden erkennt sehr klar, dass es manchmal trotz aller Anstrengungen und trotz aller Flexibilität von unserer Seite einfach nicht schneller geht.“
Hoffnung auf mehr Normalität
Wie sind denn die Aussichten für die kommenden Monate, diese Frage treibt natürlich auch alle um, die mit Autos ihr Geld verdienen. Immerhin ist die gesamtwirtschaftliche Lage nicht ganz so schlecht wie prognostiziert. Die Produktion bei den Herstellern zieht langsam an, sodass bei einigen Modellen die Lieferzeiten kleiner werden. Auch Ersatzteile sind häufig wieder zuverlässig lieferbar. Nina Eskildsen, Unternehmerin mit mehreren Autohäusern und Präsidentin des Landesverbandes des Kfz-Gewerbes, ist vorsichtig optimistisch. „Natürlich habe auch ich keine Glaskugel“, betont sie. Was mir aber Hoffnung macht, ist das Nachlassen der Einschränkungen durch Corona und die Tatsache, dass Menschen weiterhin ein großes Bedürfnis nach individueller Mobilität haben. Dieses können wir stillen mit unserem qualifizierten Personal, bei dem ich trotz aller Schwierigkeiten immer noch ein hohes Maß an Motivation wahrnehme. Das ist die unverzichtbare Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften in unserer Branche – auch unter deutlich erschwerten Bedingungen.“ Gerne gibt sie aber auch zu, wie kraftraubend die Zeiten sind und wie sehr sie sich „normaleres“ Arbeiten wünscht – ohne den permanenten Zirkus!