Herbstakademie 2024

Begeistertes Publikum bei der Herbstakademie Foto: Eva Biederbeck

Infotainment auf höchstem Niveau

Die Herbstakademie 2024 ist zu Ende. Sie war wieder das, was sie auch in den über zwanzig vergangenen Jahren seit ihrer Erstausgabe 2001 war: eine für junge und jung gebliebene Führungskräfte des Kfz-Gewerbes perfekte Mischung aus Information und Unterhaltung.

Platz für Unterhaltung im buchstäblichen Sinne gab es während der drei Tage zur Genüge, worauf auch Jan-Nikolas Sontag, Geschäftsführer des mit der Organisation der Veranstaltung betrauten Landesverbandes Schleswig-Holstein, in einem ersten Fazit hinwies: „Ich bin wirklich begeistert von dieser positiven Dynamik, die so schnell, ja von Anfang an bei dieser Veranstaltung zu spüren war. Es gab sofort einen intensiven Austausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander, was in den Pausen zu beobachten war. Aber auch während der Vorträge gab es viel positive Resonanz, eine hohe Spannungsdichte, die sich durch die Veranstaltung getragen hat. Und wieder einmal hat sich das Besondere gezeigt, was wir hier in den drei Tagen in Kampen auf Sylt haben, nämlich die Möglichkeit, mit den Referentinnen und Referenten ins Gespräch zu kommen. Das wurde in einigen Fällen bis spät in die Nacht genutzt.“

Tatsächlich lieferte das von Maria Scharrenberg und Martin Seydell aus der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Kfz-Landesverbandes zusammengestellte Portfolio an Themen sehr viel Nachdenkenswertes. Wohin steuert die Kfz-Branche, das ist z.B. die Frage, der Wolfgang Michel, Chefredakteur beim Vogel Verlag, seit zwanzig Jahren, immer zu Beginn der Veranstaltung nachgeht. Bilder seiner beiden Kinder (vor zwanzig Jahren spielend neben dem Kampener Veranstaltungsort Kaamp-Hüs und heute als junge Erwachsene) ließen auf sympathische Weise erkennen, „wie sich zwei Jahrzehnte anfühlen“. Doch wie wird es weiter gehen? Aus den vielen zweifelhaften Prognosen der Vergangenheit lasse sich leicht ableiten, dass es kaum möglich sei, Verlässliches vorauszusagen. Immerhin werde die immer noch steigende Zahl von Pkw auf deutschen Straßen – bald werden es 50 Mio. sein – dafür sorgen, dass „die Musik weiterhin im Service spielt“, so der erste Referent.

Digitalisierung und positive Menschenführung

Anschließend ging es um das große Thema Digitalisierung. Klemens Skibicki, der u.a. an der Cologne Business School als Professor lehrte, räumte mit einem großen Irrtum auf: „Alles wird digitalisiert. Das ist Quatsch. Es wird nur das digitalisiert, was sich lohnt!“ Digitalisierung sei kein Wundermittel, denn „wenn du einen scheiß Prozess digitalisierst, dann hast du einen scheiß digitalen Prozess“. Es gelte also, sich wirklich Gedanken zu machen, sinnvolle Prozesse zu erarbeiten und sie dann digital umzusetzen. Er schloß seine Ausführungen mit dem kernigen Statement: „Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten!“

Johannes Schröder, „Deutschlehrer der Herzen“, wie er sich selbst nennt, zeigte auf humorvoll-tiefgründige Weise, dass sich aus dem Umgang mit jungen Menschen, so viel Grundsätzliches über den Umgang mit Menschen lernen lässt. In Zeiten großer Veränderungen ist die Freude am Lernen essentiell, um sich auf Neues einstellen zu können. Grundlage für Lernbereitschaft ist Interesse, nach Johannes Schröder, das genaue Hinschauen: „Ich nenne das den zweiten Blick.“ Daneben geht es auch um eine weitere grundsätzlich wichtige Einstellung: Die Konzentration auf das Gute beim Gegenüber. „Warum“, so fragte Johannes Schröder, „sagen wir Drei minus, statt zu sagen Du hast 75 % richtig!“

Am Samstag präsentierte ZDK-Präsident Arne Joswig einen Überblick über Initiativen des Zentralverbands. Dazu gehört eine „Mobilitätsprämie Generation Zukunft“: Junge Menschen und Familien mit geringer Kaufkraft sollen für E-Fahrzeuge gewonnen werden. Sie erhalten 6.500 € für ein neues E-Fahrzeug, 3.250 € für einen gebrauchten Stromer. Dass es in der jetzigen politischen Gesamtsituation nicht einfach sei, eine solche Idee konkret werden zu lassen, dürfe auf keinen Fall eine Entschuldigung für Nichtstun sein. „Wir werden an den wichtigen Themen dran bleiben“, versprach der ZDK-Präsident.

Mehr Klarheit in der Kommunikation

René Borbonus, als herausragender Rhetoriker bereits von einer früheren Herbstakademie bekannt und geschätzt, lieferte mit seinen Ausführungen zum Thema „Klarheit“ einen Werkzeugkasten für eine verbesserte Kommunikation. Gelingen könne dies nur dem, der sich Pausen von der Nachrichten-Schwemme gönne. „Klarheit entsteht in der Stille“, so Borbonus, denn alleine das ungestörte Nachdenken bringe Klarheit. Einen praktischen Tipp gab es für das Publikum: „Legen Sie sich eine neue Startseite an!“ Es gebe z.B. eine, die für zwei Minuten jede Aktivität am PC oder Laptop unterbinde – wertvolle Zeit, um ruhig und damit auch klar – in den Arbeitsalltag zu starten.

Ronja von Wurmb-Seibl, Journalistin u.a. für „Die Zeit“, sprach über den Effekt, den die ständige Konfrontation mit negativen Nachrichten auf uns Menschen hat: „Wenn wir von einem weit entfernten Krieg erfahren, dann breiten sich in uns Ohnmachtsgefühle aus, denn wir können an diesem Krieg nichts ändern.“ Die Gefahr bestehe darin, dass sich diese Empfindung, nichts ändern zu können, auch auf andere Bereiche, in denen wir sehr wohl etwas ändern könnten, ausbreite. Sie plädierte für eine Reduzierung des täglichen Nachrichten-Konsums. Und sie schrieb auch den Journalisten-Kolleginnen und Kollegen eine Verantwortung zu, nämlich nicht nur das Schlechte zu schildern, sondern immer auch den Blick offen zu halten für das Hoffnungsvolle, das Positive, das es eben auch gebe.

Zeitgeist trifft auf Zufriedenheitsforschung

Die beiden abschließenden Vorträge am vergangenen Sonntag drehten sich um den Zeitgeist und die Stimmungslage der Deutschen. Kirstine Fratz, Kulturwissenschaftlerin, lieferte gleich zu Beginn ihres Vortrags eine Definition des Begriffs Zeitgeist: „Zeitgeist ist die Erlaubnis, sich von herrschenden Bedingungen zu erholen, in allen Formen und Farben. Das zeigt sich z.B. darin, dass Menschen sich heute von ihrer Arbeit nicht mehr kaputt machen lassen wollen.“ Damit werde auch auf Seiten der Führungsverantwortlichen ein Wechsel im Umgang mit Mitarbeitenden erforderlich. Weg von autoritären Ansagen hin zu einem verständnisvollen Eingehen auf individuelle Bedürfnisse. Die ideale Führungskraft sei wie eine vollkommene Mutter. Das bedeute in der Wirklichkeit: „Man kommt zu nichts, denn immer will jemand auf den Arm.“ Wer in solchen Momenten die alten Zeiten herbeisehne, dem gab Kirstine Fratz gleich noch einen allgemein gültigen Leitsatz mit: „ Es gibt nicht eine richtige Gesellschaft für alle für immer!“

Was es aber sehr wohl gibt: statistisch valide Zahlen, die bspw. Aussagen über die Stimmungslage der Deutschen erlauben. Auch wenn seine regelmäßig erhobenen Datensätze unter dem Titel „Glücksatlas“ veröffentlicht würden, so sei dies eine falsche Übersetzung des englischen Wortes „Happiness“, ließ Bernd Raffelhüschen, Freiburger-Professor für Finanzwissenschaften und bekannter Politikberater das Publikum der Herbstakademie wissen. Dieser Begriff meine Zufriedenheit, nicht Glück. Da aber der Hauptsponsor dieser Publikation eine Lotteriegesellschaft sei, habe die Wahl des Begriffs „Glück“ ihre Begründung. Die beiden Begriffe müssten jedoch klar voneinander getrennt werden. „Glück“ könne man sich nicht erarbeiten. Man gehe bei Rot über die Ampel und werde nicht überfahren. Das sei Glück, das sich mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung sogar genau berechnen ließe. Zufriedenheit könne man sich sehr wohl erarbeiten. Vier Faktoren seien entscheidend für die Lebenszufriedenheit: Gesundheit, Gemeinschaft, Geld und genetische Disposition. Letzteres meine, ob unsere genetische Voreinstellung uns mehr zu der Aussage bewege, ein Glas sei halb leer oder halb voll.

Und wie steht es nun um die Zufriedenheit der Deutschen? Gar nicht mal so schlecht: Der positive Höchststand von vor Ausbruch der Corona-Pandemie sei nahezu wieder erreicht. Und auch wirtschaftlich gehe es den Deutschen sehr viel besser als dies oft behauptet werde. Es gebe keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit mehr, und es existiere kein einziges Wirtschaftsgut, für dessen Erwerb man aktuell länger arbeiten müsse als früher. Auch für das Wohnen nicht, für das in den teuersten Städten Deutschlands maximal 30 % aufgewendet werden müssten.

Der lang anhaltende Applaus am Ende der Veranstaltung war ein deutliches Lob für die Organisatoren Maria Scharrenberg und Martin Seydell. Deren Fazit lautete: „Wir können sagen: Wir sind sehr dankbar, dass wir dank der Unterstützung durch unsere Partner, so hochwertige Referenten gewinnen konnten. Sie haben uns nicht nur zum Lachen gebracht, sondern auch Vieles gesagt, was zum Nachdenken einlädt. Und das lieben nicht nur wir beide, sondern offensichtlich auch die über zweihundert Gäste, die wir zur diesjährigen Herbstakademie begrüßen durften! Und wir freuen uns natürlich jetzt schon auf das nächste Mal.“ Gemäß aktueller Planung gibt es die nächste Herbstakademie vom 13. - 15. November 2026 – sicher wieder mit einem sehr zufriedenen Publikum. Mit Glück hat das übrigens nichts zu tun!