Kein Grund zur Hoffnungslosigkeit

Dr. Ing. Christian Knobloch

Zu Beginn ihrer Begrüßung zur 3. Nacht des Kfz-Gewerbes machte Nina Eskildsen, Präsidentin des Landesverbandes, etwas, was sie garnicht wollte. Sie redete vor den etwa 180 Zuhörerinnen und Zuhörern von früher: „Das ist eigentlich der Part von Großeltern, und so alt fühle ich mich noch nicht. Ich will nicht sagen, früher war alles besser, aber nach meinem Empfinden war es einfacher.“ Als Kind, das in einem Autohaus groß geworden sei, habe sie mitbekommen, dass, wenn man nicht allzu viel verkehrt machte, am Ende des Tages immer ein gutes Ergebnis herausgekommen sei. Diese Sicherheit sei verloren gegangen. Als Gründe nannte sie die zunehmend komplexere Technik der Fahrzeuge, die permanent steigende Anforderungen an die Werkstätten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sich bringe, ständig größer werdende Dokumentationspflichten und starke Veränderungen im Verhältnis von Herstellern zu ihren Händlern, ein Verhältnis, das häufig nicht mehr von Partnerschaftlichkeit geprägt sei. All das finde in einem Umfeld mit wirtschaftlich instabilen Rahmenbedingungen statt.

Zweifelhafte Prognosen zur Zukunft des Gewerbes

Im Anschluss an diese ernüchternde Bestandsaufnahme leitete sie zum Programm der 3. Nacht des Kfz-Gewerbes über. Der folgende Vortrag passte hervorragend zu den einführenden Worten der Präsidentin des Landesverbandes, denn nach der Bestandsaufnahme ging der Blick in die Zukunft. Seine Analyse stellte er unter das Thema „Konkurrenz und Kooperation 2026: Wie digitale Entwicklung Beziehungen und Machtverhältnisse zwischen Herstellern, Handel und Werkstätten verändert.“ Darin präsentierte Christian Knobloch, promovierter Ingenieur für Softwaretechnik, Prognosen über die Entwicklung der Kfz-Branche und stellte sie auf den Prüfstand. Gemäß weit verbreiteter Vorstellung würden im Jahr 2026 durch die zunehmende Zentralisierung im Handel Käuferinnen und Käufer ihre Autos überwiegend auf Onlineplattformen erwerben. Damit werde im Verhältnis der Hersteller zu ihren Händlern das Agenturmodell bestimmend. Kfz-Verkäuferinnen und Verkäufer würden, wie Knobloch es formulierte, „zu Hausmeistern im Showroom“, denn ihre eigentliche Aufgabe, die Beratung von Kunden, werde dank durchdigitalisierter Prozesse von KI übernommen. In der Werkstatt werde es nicht anders aussehen.Das Personal werde „zu anonymen Originalteiletauschern“, denen die KI per Ferndiagnose sage, wie und was zu tun sei. Eigenständige Kfz-Betriebe gebe es 2026 kaum noch. Vernetzte Autos würden von den Herstellern kontrolliert, genau wie Ersatzteile, Softwarebausteine und sämtliche Dienstleistungen von Versicherung bis Wartung und Reparatur.

Solche Szenarien kannten die Zuhörerinnen und Zuhörern. Umso erstaunter waren die Anwesenden über die Aussage des Referenten, dass es gute Gründe gebe, diesen Vorhersagen zu misstrauen. Auf zwei Gründe konzentrierte Christian Knobloch sich besonders: Erstens gehe es beim Autokauf um Menschen und zweitens seien Autos sehr komplexe und teure Güter. Menschen kauften solche Produkte mit einem hohen Beratungsbedarf immer noch am liebsten bei anderen Menschen. Das immer wieder herangezogene Beispiel Amazon sei nicht aussagekräftig, denn die dort angebotenen Produkte und Services unterschieden sich erheblich von denen im Kfz-Segment.

Exzellentes Wissen über jeden Kunden als Schlüssel

Hier setzte nun die durchaus hoffnungsvolle Botschaft für die anwesenden Kfz-Unternehmerinnen und Unternehmer ein. Kfz-Betriebe beherrschten genau das, was sich die überwiegende Mehrheit der Kundinnen und Kunden wünsche: Sie könnten ihre Klientel exzellent beraten. Dabei sei die Digitalisierung eine hervorragende Unterstützung, denn sie ermögliche es, auf die notwendigen technischen Informationen zuzugreifen. Gleichzeitig sei sie für die Dokumentation der aus den Kundenkontakten gewonnenen Informationen sehr hilfreich. Schließlich, so der Referent, sei es „noch wichtiger als die Kunden exzellent zu beraten, sie exzellent zu kennen.“ Einen Rat für den Kundenkontakt gab er dem Publikum: „Versuchen Sie doch jedem Ihrer Kunden bei Verkauf und Service konsequent immer denselben Ansprechpartner zuzuweisen. Wer das tut, der ermöglicht den Aufbau einer Bindung, die sich durch Vertrauen auszeichnet.“ Natürlich bedeute das in der Konsequenz eine enge Kooperation von Handel und Werkstatt – ein Feld, auf dem noch jede Menge Verbesserungsbedarf bestehe. „Vielleicht braucht es dafür sogar einen eigenen Ausbildungsberuf“, so Christian Knobloch.

Wer über einen ausgezeichnet gemanagten Kundenstamm verfüge, sei obendrein ein attraktiver Vertriebspartner für die Hersteller. „Warum nicht einen chinesischen Hersteller in sein Angebot aufnehmen? Die machen augenscheinlich einiges richtig und suchen gerade Partner für ihre Servicenetzwerke.“

Selbstbewusst sein für die Zukunft

Und die Prognose, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch KI in der Werkstatt zu „anonymen Teiletauschern“ degradiert werden würden? Denen irgendwelche Sensor-basierten Anwendungen sagen würden, was beim jeweiligen technischen Problem zu tun sei? KI sei in ihrer Qualität immer abhängig von Daten , so Christian Knobloch. Diese wiederum seien vor allem über Sensoren zu bekommen. Das Mehr an wichtigen Infos, das die Sensoren lieferten, koste allerdings Geld und mache das Ganze anfälliger. Außerdem lieferten Sensoren nur selten das ganze Bild: „Ein Sensor hört nicht, ob das Schiebedach noch quietscht!“ Bis jetzt brauche es einen Menschen, der die gelieferten Daten aus- und bewerte, denn wer sonst kontrolliere die Sensoren?

Alles in allem, so lautete des Fazit des Vortragsredners, sei die Digitalisierung nur eine weitere technische Entwicklung, die neben Risiken selbstverständlich auch eine Reihe von Chancen eröffnete, auch in der Kooperation mit den Herstellern. Also: „Gestalten Sie Ihre Zukunft daher selbstbewusst selbst!“

Kerstin Plehwe

Wer will wirklich Veränderung

Auch an diese Ideen fügte sich der Anschlussvortrag nahtlos an. Kerstin Plehwe, studierte Kommunikationswissenschaftlerin, referierte über „Die Tugenden der Zukunftsmacher“. Ähnlich wie ihr Vorredner räumte sie zu Beginn mit weit verbreiteten Annahmen auf. Mythos Nummer Eins sei die Auffassung, dass Menschen im allgemeinen Veränderungen wollten. Das sei nicht so, denn Transformation bedeute immer Unsicherheit und die würde in sowieso schon unsicheren Zeiten .gerne vermieden. Zweiter Mythos: „Wir haben das im Griff.“ Die Welt sei unberechenbar. Das hätten die letzten Jahre zur Genüge gezeigt. „Das einzige“, so die Rednerin, die im Wahlkampfteam von Barack Obama als Beraterin des Kandidaten arbeitete, „was wir im Griff haben, sind wir selbst.“ Der dritte Mythos schließe sich daran an und laute: „Wir können andere verändern.“ Nein, meinte Kerstin Plehwe, wir haben nur die Chance uns selbst zu verändern. Die Frage, die sich jeder deshalb stellen müsse: „Habe ich mich so verändert, dass ich mich in der sich stark verändernden Welt zurecht finden kann?“

Kunden Sicherheit geben durch gute Beratung

Die Wissenschaft mache deutlich, das die zunehmende Digitalisierung, zu wachsender Vereinsamung führe, zu dem Gefühl, nicht gehört und verstanden, geliebt und anerkannt zu werden. Es fehle an einer persönliche Verbindung mit anderen Menschen. Das betreffe auch die Arbeitswelt. Die Zahlen von Mitarbeitenden nähmen stark zu, die dem Stress nicht gewachsen seien. Das hänge auch mit der bereits erwähnten Unberechenbarkeit zusammen. Diese mache sich auch bei den Kunden bemerkbar. Und genau hier liege die Chance für die Betriebe des Kfz-Gewerbes. Sie könnten bei ihrer Klientel Ängste abbauen durch eine klare Kommunikation bspw. in der Beratung oder bei einem Autokauf.

Kreative Zukunftsmacher werden

Dafür sei es aber auch notwendig, sich bewusst zu werden über das, was das einzelne Unternehmen bieten könne und wolle. Die „eierlegende Wollmilchsau“ gehört demnach eher zu einer aussterbenden Spezies. Sich im Kundenkontakt immer darum zu bemühen besser zu werden, empathischer und damit genauer zu wissen, was dem Gegenüber wichtig ist, um ein maßgeschneidertes Angebot zu liefern. Das sei eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, die den Beteiligten viel Einsatz abverlange. Um die dafür nötige Energie zu erhalten, sei es sehr notwendig, mentale Fitness zu erwerben. Dabei helfe positive Intelligenz. Sie führe zu der Einstellung, zu allem, was an Veränderungen und Herausforderungen da sei, einen positiven Zugang zu entwickeln und zu bewahren. Der neudeutsche, viel gebrachte Begriff des Change, des Wandels, sei dann keine von außen verordnete Entwicklung, der man sich wohl oder übel unterwerfe. Sie sei vielmehr  ein gewünschter, natürlicher Prozess. Das setze viele Kräfte frei und ermögliche es, zu einem kreativen Zukunftsmacher zu werden.

Der Applaus und die lange über das anvisierte Ende hinaus an einem reichhaltigen Buffet geführten Gespräche zeigten, dass die präsentierten Ideen unter den Zuhörerinnen und Zuhörer in den Holstenhallen Neumünster viel Nachdenken ausgelöst hatten. Der Landesverband sah sich bestätigt in seiner Strategie, solche wertvollen Gelegenheiten für seine Mitgliedsbetriebe zu schaffen. In zwei Jahren wird es deshalb eine 4. Auflage dieser Veranstaltung geben.

v.l. Jan-Nikolas Sontag, Nina Eskildsen, Kerstin Plehwe, Dr. Ing. Christian Knobloch