Komplexe Themen vor vollem Haus

Zweite Nacht des Kfz-Gewerbes mit über 200 Anwesenden

Die Freude über die „livehaftige“ Zweite Nacht des Kfz-Gewerbes in den Holstenhallen Neumünster war groß. Gleich im ersten Satz ihrer Begrüßung ließ Nina Eskildsen, Präsidentin des Landesverbandes, das erkennen: „Es ist schön, mal wieder zusammenkommen zu können.“ Immerhin 19 Monate Pandemie-Zeit seien schon vergangen, ein Zeitraum voller Herausforderungen, die auch jetzt bei weitem nicht alle gemeistert worden seien. Dazu gehöre neben der Tatsache, dass das Servicegeschäft noch nicht wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht habe, vor allem der Halbleitermangel. Damit gebe es kaum Fahrzeuge, die überhaupt verkauft werden könnten.

Insgesamt stelle die aktuelle Lage die Betriebe vor so viele neue Aufgaben, dass die tägliche Arbeit nur mit einem hohen Maß an Flexibilität zu bewältigen sei. Diese Situation habe zu einer Vernachlässigung dessen geführt, was eigentlich im Mittelpunkt aller unternehmerischen Aktivität stehen müsse: die Führung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dazu werde die Veranstaltung immerhin einen kleinen Beitrag leisten können, wenn in dem zweiten Vortrag das Thema „Führung in einer neuen Zeit“ behandelt werde.

Davor allerdings ging es um die Beantwortung einer an sich schlichten Frage: Haben neben dem Akku auch synthetische Kraftstoffe eine Chance? Die Antwort, die Christoph Stricker, Referent des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe, gab, war auch vergleichsweise schlicht: Ja! Die Begründung dafür unterfütterte Vortragende mit einer Fülle von Zahlen, Daten und Fakten, die die ganze Komplexität des Themas CO2-Reduzierung deutlich machten.

Keine Verbote – Technologieoffenheit

Es dürfe gemäß der Leitlinie des ZDK nicht zuerst um Verbote, sondern stattdessen um Technologien gehen, wenn die „sportlichen“ Klimaziele wirklich erreicht werden sollen, wie sie beispielsweise die EU mit ihrem Programm „Fit for 55“ vorgegeben habe – der Senkung der Emissionen von Pkw bis 2030 um 55 %. Im Bereich der Effizienz der Motoren habe es wirkliche Verbesserungen gegeben, die seien aber durch die wachsenden Mobilitätsbedürfnisse in Europa und der Welt „aufgefressen“ worden. Der Ausstoß von CO2 sei deshalb nicht gesunken; in den letzten 24 Jahren sei er um etwas mehr als 5 % gestiegen und eine weitere Steigerung sei sicher.

Wie also könne es einen Ausweg aus diesem Dilemma geben? Nur über den Weg grünen, also aus regenerativen Quellen stammenden Stroms. Im Moment kämen 45% der deutschen Stromerzeugung von dort, im Jahr 2030 sollten es 65 % sein. Dafür müssten 450 Terawattstunden (TWh) grüner Strom produziert werden – eine noch nie geleistete Menge.

Neben Sonnen- und Windenergie seien 7 % dieser 450 TWh dem Wasserstoff zugedacht. Und damit kam Christoph Stricker auf das Thema E-Fuels zu sprechen, synthetische Kraftstoffe, die durch Strom aus Wasser und CO2 hergestellt werden. Sei der dabei aufgewendete Strom komplett aus regenerativen Quellen gewonnen, dann hätten mit E-Fuels betankte Verbrenner-Pkw eine bessere CO2-Bilanz als batteriebetriebene PKW. Der Grund liege in einem kleineren CO2-Rucksack, der bei der Produktion und dem abschließenden Recycling entstehe. Allerdings sei die Energieeffizienz von E-Fuels deutlich geringer als z.B. bei Batterien, d.h. pro Kilometer Fahrtstrecke müsse eine deutlich größere Menge an Energie zur Fortbewegung aufgewendet werden. Dennoch dürfe angesichts eines Bestands von mehr als 30 Mio. PKW mit Verbrennungsmotoren im Jahr 2030 allein in Deutschland eine solche Möglichkeit nicht ungenutzt bleiben. Außerdem seien weitere technische Fortschritte zu erwarten, die die Energieeffizienz synthetischer Kraftstoffe verbesserten. Weiter lägen für die deutsche Industrie bedeutende Exportchancen in der Entwicklung und Verbesserung von Technologien rund um E-Fuels.

An den Schluss seines Vortrags stellte Christoph Stricker ein Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler: „Die Zukunft gehört dem, der als Erster die Kraft der Sonne in den Tank packt, mit Wasserstoff überholt und CO2-frei fährt.“ Das war 2010 – auch elf Jahre später ist dem nichts hinzuzufügen.

Aus dem Überlebens-Modus rauskommen

Im zweiten Teil der Veranstaltung sprach Regina Först, Coach und als Top-100-Speaker ausgezeichnet, über das Thema „Führung und Zusammenarbeit in einer neuen Zeit“. Sie machte deutlich, dass es nach den akuten Pandemiefolgen wichtig sei, wieder Raum zu schaffen für eine intensive Beschäftigung mit dem Schlüssel-Thema für Führungskräfte: „Wie halte ich einen möglichst engen Kontakt zum eigenen Team?“ Eine praktische Hilfe dabei nannte die Referentin: die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mal durchzugehen und sich bei der Einzelperson zu fragen: „Was verbinde ich mit ihr oder ihm? Was sind ihre oder seine guten Eigenschaften?“ Das mache auch das Loben leichter, die positive Reaktion der Führungskraft auf eine Situation, in der genau das gezeigt wurde, was die Person zu einem wertvollen Mitglied des Teams mache. Auf diese Weise werde die Motivation von Menschen gefördert, was viel effektiver sei als Kritik, denn motivierte Menschen seien erwiesenermaßen sehr viel leistungsbereiter.

Corona habe die meisten in den „Überlebens-Modus“ geschickt. Aus diesem Tunnel des nur noch Reagierens müsse der Weg heraus gefunden werden hin zu einem von Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden geprägten Führungsstil. Das setze voraus, Menschen zu mögen, sich selbst eingeschlossen. Menschlichkeit, so Regina Först, bedeute keinesfalls einen permanenten Kuschelkurs. Ein faires Miteinander sei durchaus auch mit Forderungen verbunden und mit Kontrolle, wenn es um die Einhaltung von Abmachungen gehe.

So entstehe Verlässlichkeit, die wiederum Bindung fördere. Unzuverlässigkeit von Seiten der Führungskräfte – nicht eingehaltene Versprechungen beispielsweise – sei ein Hauptgrund für mangelnde Loyalität der Mitarbeitenden, die sich in Kündigungen oder im schlimmsten Fall in einer bewußten Schädigung des Arbeitgebers widerspiegele.

Neben Wertschätzung und Verbundenheit, zwei entscheidenden Hebeln, um das Engagement der Teammitglieder zu unterstützen, gebe es noch einen dritten großen Motivator: Gestaltbarkeit. Die Möglichkeit, dass sich Mitarbeitende mit eigenen Ideen einbringen könnten, setze Vertrauen von den Führungsverantwortlichen voraus. Als Beispiel für vertrauensvolle Führung führte sie das Einzelhandelsunternehmen Edeka an, das in einem Projekt den Azubis bei der Gestaltung der Obst- und Gemüse-Abteilung freie Hand gelassen habe. Die Ergebnisse seien beeindruckend gewesen und die gesteigerte Motivation bei den Nachwuchskräften messbar.

In ihren Schlussworten forderte Regina Först die Anwesenden auf, in die Puschen zu kommen“, denn bei der richtigen Führung von Menschen bestehe kein Wissens- sondern ein Anwendungsproblem.

Im Anschluss boten sich bei einem warmen Buffet ausreichend Gelegenheiten, sich über die präsentierten Informationen auszutauschen – von Angesicht zu Angesicht. Die Hoffnung ist groß, dass dies auch bei der 3. Nacht des Kfz-Gewerbes wieder so sein wird.